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Hier schreibe ich nicht nur als Frauenärztin, sondern vor allem als Mutter. Ja, ich habe meine beiden Kinder gestillt. Meine Tochter für 14 Monate (dann musste ich wegen der 24h Dienste im Krankenhaus aufhören) und meinen Sohn für 2 Jahre und 4 Monate. Ich möchte in diesem Beitrag zeigen, warum Stillen unbedingt zu empfehlen ist, und welche Schwierigkeiten aber auch auf euch zu kommen können.

Warum überhaupt Stillen?

Muttermilch ist die optimale Nahrung für dein Kind. Es gibt keine künstlich hergestellte Ersatznahrung die der Zusammensetzung der Muttermilch entspricht. Die Muttermilch besitzt Immunglobuline (Abwehrstoffe), die das Kind die ersten Monate vor Krankheiten schützt – der sogenannte „Nestschutz“. Auch Durchfallerkrankungen und Mittelohrentzündungen treten bei gestillten Kindern seltener auf und es setzt das Risiko am „plötzlichen Kindstod“ zu versterben herab. Außerdem schützt es vor Übergewicht im späteren Lebensalter.

Stillen ist praktisch

Zum Praktischen Aspekt: Muttermilch ist immer gut temperiert, immer verfügbar und verursacht keinerlei Kosten. Es entfällt also lästiges Einkaufen, weil das Milchpulver mal wieder alle ist, was auch gerne mal Nachts passiert, oder das Ärgern über die gestiegenen Preise, oder zu überlegen, ob es bei dem bevorstehenden Gartenfest eine Möglichkeit gibt die Milch auf die optimale Temperatur zu erwärmen. Und man kann auch absolut entspannt an dem asiatischen Pärchen vorbeischlendern, das gerade die Regale leergekauft hat. Du bist viel spontaner und flexibler.
Du wirst nie wieder so eine kuschelige und innige Zeit mit deinem Kind erleben – diese Zeit gehört dir ganz allein. Ich habe das Stillen immer sehr genossen – vor allem als Rückzug und Entspannung im Alltag. Stillen macht außerdem glücklich, da Glückshormone im Gehirn frei gesetzt werden.

Du tust auch etwas für Dich

Stillende Mütter erkranken seltener an Eierstock- und Brustkrebs und haben ein niedrigeres Risiko Diabetes mellitus Typ 2 zu bekommen (wenn kein Gestationsdiabetes in der Schwangerschaft vorlag). Es führt zum schnelleren Gewichtsverlust und oft bleibt auch die Regelblutung in der Stillzeit aus.
Die Schlafunterbrechung für die Mutter in der Nacht ist oft kürzer da ein Aufstehen und Erwärmen der Flasche nicht notwendig ist. Fairerweise muss man aber sagen das Flaschenkinder oft eher „Durchschlafen“. Also nicht wundern, wenn einige der Frauen erzählen: „Mein Kind schläft schon von Anfang an durch“. Durchschlafen ist auch Definitionssache. Bei mancher Frau heißt das 5h am Stück, bei der anderen 8h. Also lasst Euch nicht kirre machen :-).

Kann ich überhaupt Stillen?

Aufgrund meiner Erfahrung kann ich sagen, dass 99% der Frauen stillen können. Aber zugegeben sind die ersten Wochen die schwierigsten, danach wird es aber wirklich schön – versprochen.

Voraussetzungen für erfolgreiches Stillen:

Deine Überzeugung vom Sinn und Nutzen des Stillens ist enorm wichtig. Es bringt nichts sich überreden zu lassen oder einem Trend zu folgen.
Du darfst die Stillzeit nicht für ein Muss halten, obwohl die WHO 6 Monate Vollstillen und bis zum 2. Lebensjahr zusätzliches Stillen empfiehlt, nein Du solltest davon wirklich überzeugt sein.
Es ist eine große Portion Selbstbewusstsein notwendig, um zu der Überzeugung zu kommen, eine gute stillende Mutter zu sein und der Natur zu vertrauen, und diese Überzeugung auch gegen negative äußere Einflüße zu verteidigen.
Äußere und innere Ruhe! Wichtig ist nicht nur eine ruhige Umgebung zu schaffen um deinem Kind und dir den nötigen Raum für ein genussvolles Stillen zu schaffen, nein auch die innere Einstellung und Ruhe ist entscheidend. Gelassenheit und das gute Gefühl informiert zu sein tuen ihr Übriges. Zu wissen, das es nicht auf die Trinkmenge, sondern die Sättigung deines Babys ankommt ist sehr beruhigend. Wenn dein Atem in Ruhe fließt und du dir keine Sorgen machen musst, dann wird auch deine Milch fließen.

Die erste Zeit

Ich unterstütze das „Bonding“ nach Geburt (auch nach einem Kaiserschnitt) als direkter Hautkontakt von Mutter und Kind. Das ist nicht nur für die Milchbildung wichtig, sondern auch für die Stillbeziehung zwischen Mutter und Kind. In den ersten 2h nach Geburt sind die Babys sehr aufmerksam und suchen sich auch allein die Brust wenn sie nackt auf dem Bauch der Mutter liegen. Probiert es aus!
Der häufigste Grund für das Abstillen in den ersten 6 Monaten ist die Angst, dass das Baby nicht genug Milch bekommt. Mit der neuen Situation und dem Wunsch unbedingt Stillen zu wollen, sind viele junge Mütter sehr verunsichert, vor allem wenn es um die Milchproduktion und Stillhäufigkeit geht.

Im Krankenhaus wird oft noch ein Stillrhythmus alle 2-3h gelehrt bis zum Milcheinschuß. Ich allerdings empfehle dir das Stillen nach Bedarf. Das heißt das Kind darf auch einmal ein paar Stunden schlafen ohne geweckt zu werden, das hat aber die Folge, das am Abend auch mal Clusterfeeding angesagt ist und das Baby, um den Bedarf zu decken, auch mal stündlich gestillt werden will. Diese Phasen sind normal und kommen immer wieder vor, insbesondere in Verbindung mit Wachstumsschüben (3 Wochen nach Geburt zum Beispiel). Es fördert die benötigte Muttermilchmenge, d.h. bei mehr Bedarf wird auch mehr produziert. Also kein Grund zur Sorge und bei Fragen am besten eine Stillberaterin in eurer Nähe um Rat fragen. Das Stillen unterliegt immer individuellen Bedingungen und kann sich natürlich auch verändern, kein Baby ist gleich.

Schnuller und Flasche – Was ist Saugverwirrung?

Das ist eine sehr viel diskutierte und umstrittene Frage. Meine Meinung ist, dass du erst einmal versuchen solltest ohne Flasche und Schnuller auszukommen, gerade in den ersten 6-8 Wochen, damit sich eine Routine im Stillen einstellen kann und es eben nicht zur Saugverwirrung kommt. Saugverwirrung scheint aber nicht so oft vorzukommen laut der Hebammen die ich kenne, denn die meisten Babys stecken das wohl gut weg. Ich habe damals bei meiner Tochter 3 Wochen nach der Geburt entnervt aufgegeben und dann doch einen Schnuller gegeben, da sie am Abend immer 2h am Stück schrie trotz rumtragen und Nähe. Der Schnuller war ein Segen. Mein Sohn hingegen lehnte einen Schnuller vehement ab.

Schwiegermütter, Großeltern und Co.

Entmutigende Berichte oder das Abraten des Stillens aus dem Familien- oder Bekanntenkreis solltest du immer hinterfragen. Es können sehr viele Ursachen dahinter stecken zum Beispiel Fehlinformation, falsche Vorstellungen über den eigenen Körper und dessen Veränderung oder partnerschaftliche Probleme. Es gibt zum Beispiel Männer die das Stillen der eigenen Frau ablehnen, weil sie eifersüchtig sind und sich in ihrer Sexualität eingeengt fühlen. Aber auch mit Stillen ist ein erfülltes Sexualleben möglich.
„Bei mir hat das auch nicht geklappt“, „Es war furchtbar schmerzhaft, lass es lieber sein“, „Das Kind verhungert doch“, „Wie soll es denn satt werden von dem bisschen Wasser“, „Wann kriegt dein Kind denn endlich was Ordentliches zu essen“, „Willst Du Stillen bis es zur Schule geht“, „Du stillst ja immer noch“.
Bei solchen Aussagen rate ich dir auf „Durchzug“ zu schalten und deinem Gefühl und Wissen zu vertrauen. Sei von dir selbst und deinem Handeln überzeugt und bleib deinen Gedanken treu, das Stillen das Beste für dich und dein Kind ist.

Tipps zum Durchhalten

Für die Stillberatung kann ich dir deine vertraute Hebamme ans Herz legen, außerdem gibt es für den Erfahrungsaustausch auch lokale Stillgruppe. Den Besuch einer Pekipgruppe um Gleichgesinnte zu treffen kann ich aus eigener Erfahrung wärmstens empfehlen. Mit den Muttis der Pekipgruppe habe ich jetzt noch Kontakt. Wir haben damals zusammen gelacht und geweint und festgestellt, dass wir alle die gleichen Probleme haben, und geteiltes Leid ist ja bekanntlich halbes Leid.

Hört auf Euer Bauchgefühl, lasst Euch nicht verunsichern und genießt diese wundervolle intime Phase mit dem kleinen Wunder an Eurer Seite!


Bild: Pexels, Wendy Wei

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