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Heute mal zu einem eher tabuisierten und für die meisten auch sehr schmerzhaften Thema- die Fehlgeburt (Abort). Für mich in der täglichen Praxis leider ein recht häufiges Thema, aber für jede Frau, bzw. für jedes Paar ein sehr emotionales Ereignis.

Der erste Frauenarztbesuch- juchhu wir sind schwanger!

Endlich hat es geklappt schwanger zu werden. Die Regel blieb aus, der Schwangerschaftstest war positiv und nun sitzt die Frau, mit oder ohne Begleitung, voller Erwartung, und mit strahlenden Augen vor mir und möchte die erlösenden Worte hören: „Herzlichen Glückwunsch, sie sind schwanger!“.

Ich erfrage zunächst den ersten Tag der letzten Periode, um zu berechnen, in welcher Schwangerschaftswoche sie sich befindet. Dann starte ich mit dem Ultraschall. Meist wird der Ultraschall bis zur 12. Schwangerschaftswoche durch die Vagina eingeführt. Im vaginalen Ultraschall kann ich feststellen, ob mit der Schwangerschaft alles in Ordnung ist. Hin und wieder kommt es vor, daß die Schwangerschaft im Ultraschall nicht entsprechend der Schwangerschaftswoche gewachsen ist. Jetzt kann man nach 1 Woche eine Verlaufskontrolle durchführen, um sicher zu gehen, daß kein Wachstum mehr statt findet. Denn es könnte ja auch sein die Berechnung hat nicht gestimmt und man ist zu früh dran. Dann wäre die Schwangerschaft aufgrund eines unregelmässigen Zyklus noch zu klein um eine Aussage zu treffen.

Ich habe eine Fehlgeburt- einen Abort!

Auch wenn es noch nicht ganz sicher erscheint, der Verdacht aber ausgesprochen ist, bricht für die Patientin nun die Welt zusammen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Diagnose in der Frühschwangerschaft oder in der Spätschwangerschaft erfolgt- es fühlt sich immer furchtbar an und die Trauer ist sehr schmerzhaft. Es trifft diejenigen meist unvorbereitet. Gehört haben die meisten Frauen schon davon, aber glauben natürlich nicht daran, dass es sie selbst treffen kann.

Das Risiko eine Fehlgeburt zu erleiden ist aber immer individuell verschieden (10-50%) und hängt von vielen Faktoren ab zum Bsp. dem Alter der Mutter, dem Alter des Vaters, ob schon einmal eine Fehlgeburt auftrat, eigene Krankheiten und Medikamenteneinnahme oder Umweltfaktoren. Das Risiko sinkt mit zunehmendem Schwangerschaftsalter und ist in der 5/6. SSW am höchsten. Wichtig ist das ein Abort in der Frühschwangerschaft ein normaler Prozess ist, denn unser Körper entscheidet sich gegen eine Schwangerschaft, weil irgend etwas nicht in Ordnung ist.

Und nun wie weiter? Abwarten!

Ich erkläre dann, wenn die Frau überhaupt noch aufnahmefähig ist, den medizinischen Ablauf. Gern auch zu einem neuen Termin. Grundsätzlich bin ich erst einmal für Zuwarten, wenn nichts dagegen spricht. Normalerweise kommt es dann zur Ausstoßung durch das Einsetzen einer Blutung und/ oder Kontraktionen in Form von teilweise regelstarken Unterbauchschmerzen. Einem durch die Blutung verursachten Eisenmangel kann man, zusätzlich zur Folsäure, mit einem Eisenpräparat vorbeugen. Desweiteren bekommen die Frauen eine Krankschreibung, und man sollte auch geeignete Schmerzmittel zur Hand haben. Zusätzlich kläre ich über mögliche Komplikationen (siehe unten) auf. In der Regel wird der nicht lebensfähige Fötus in der Frühschwangerschaft vom Körper ausgestoßen, aber es gibt auch Fälle in denen dies nicht passiert, und dann ist eine sogenannte Ausschabung notwendig. Wie lange abgewartet werden kann ist individuell unterschiedlich. Ich persönlich finde 2-3 Wochen absolut vertretbar.

Beim Zuwarten bitte unbedingt einen Arzt aufsuchen, wenn:

  • es längere Zeit überregelstark blutet
  • ihr euch fiebrig und schlapp fühlt
  • ihr anhaltende massive Unterbauchschmerzen habt, und Schmerzmittel nicht helfen

Und nun wie weiter? die Ausschabung!

Falls das Zuwarten für die Frau aus verschiedenen Gründen nicht in Frage kommt, dann besteht die Alternative in einer Ausschabung. Dafür bekommt die Frau eine Überweisung ins Krankenhaus, und der Eingriff wird zeitnah durchgeführt. Der Prozeß des Ausstossens ist dann schneller vorbei, birgt aber das Risiko von operativen Komplikationen. Das in der Operation entnommene kindliche Gewebe wird in die Pathologie der meist zuständigen Universität eingeschickt und untersucht ob es sich um Zellen einer Schwangerschaft handelt. Genetische Analysen werden in der Frühschwangerschaft nicht durchgeführt. Es ist aber davon auszugehen, das mit 50-70%iger Wahrscheinlichkeit eine Chromosomenstörung verantwortlich ist. In der Regel 3x jährlich gibt es die Möglichkeit bei der Bestattung der verstorbenen Kinder unter 500g dabei zu sein. Es wird eine Andacht und Zeromonie abgehalten und die Möglichkeit der Verabschiedung gegeben.

Die Arbeit des Körpers ist getan- aber was ist mit der Psyche!?

Sehr wichtig ist meiner Meinung nach die psychische Verarbeitung. Ich rate euch, redet mit Jemandem. Lebenspartner und Familie stehen dem Prozeß oft hilflos gegenüber, und können die Gefühle der Frau oft nicht unmittelbar nachvollziehen. Sprüche wie „Es war doch erst am Anfang der Schwangerschaft“, „Du bist so jung und du kannst noch viele Kinder bekommen“ sind sicher nicht hilfreich. Wichtig ist, sich mit den Personen zu umgeben, welche die Situation nachvollziehen können und einen unterstützen. Das kann der Lebenspartner sein, eine gute Freundin, eine Selbsthilfegruppe, die Frauenärztin bzw. der Frauenarzt, und in schweren Fällen auch mal der Psychologe.

Eine Geschichte aus meiner Sprechstunde……

Ich möchte Euch gerne noch eine beispielhafte Geschichte aus meiner Sprechstunde von einem wirklich bezauberndem Paar mit auf den Weg geben. Meine Patientin kam in der siebten Schwangerschaftswoche mit ihrem Lebenspartner zu dem Termin der Schwangerschaftsbestätigung in meine Sprechstunde. Und es passierte wie oben besprochen. Die Welt der beiden brach zusammen. Sie hatten Tränen in den Augen und hielten sich gegenseitig fest an den Händen. Sie waren mir gleich sehr sympathisch und ich spürte, dass sie ein ganz besonderes Paar waren. Beide wollten erst einmal abwarten und der Natur ihren Lauf lassen. Ich sprach das Thema Trauerbewältigung an und fragte, wie sie es familiär gestalten wollten. Ganz aus dem Bauch heraus antworteten sie, dass sie es ganz offen kommunizieren wollten.

Ein Woche später empfing ich ein trauerndes, aber sehr offen damit umgehendes Paar. Sie hatten es auf der Arbeit, der Familie und im Freundeskreis erzählt. Erstaunt waren sie über die vielen Paare, die Ähnliches durchlebt hatten. Das Paar hatte sich einige Tage nur für sich genommen und viel geredet und getrauert. Der Ultraschall zeigte dasselbe Bild wie vor einer Woche, was den Abort bestätigte. Leider war aber, ausser einer minimalen Blutung, noch nichts in Richtung Ausstoßung passiert. Die Patientin sagte mir selbst, sie habe das Gefühl das Baby gedanklich noch fest zu halten und sich nicht lösen zu können. Nach einem langen Gespräch über Abschiednahme und „gehen lassen können“ entschieden sie sich noch eine Woche abzuwarten um eine Operation zu umgehen.

Nach einer Woche erschien sie in meiner Sprechstunde traurig aber erleichtert, und erzählte sie hätten sich nach dem letzten Termin in meiner Sprechstunde noch einmal viel Zeit genommen. Sie hatten einen Abschiedsbrief unter Tränen an das ungeborene Kind geschrieben und sogar mit Mama und Papa unterzeichnet. Noch am selben Abend habe dann eine stärkere Blutung eingesetzt.

Im Ultraschall zeigte sich als Bestätigung eine „leere“ Gebärmutter. Sie waren wahnsinnig glücklich über den Ausgang und über das Verarbeitungsritual. Ich war mir sicher sie würden die Geschehnisse gut bewältigen können, und bald mit einer neuen intakten Schwangerschaft vor mir sitzen.

Wichtig ist……


  1. Ihr seid nicht allein, kommuniziert es offen und ihr werdet merken, dass viele Frauen in eurem Umfeld schon Ähnliches erlebt haben.
  2. Ihr habt nichts falsch gemacht, es liegt nicht an euch!
  3. Wenn nichts dagegen spricht, schlaft erst einmal eine Nacht darüber und lasst euch nicht sofort ins Krankenhaus zur Ausschabung überweisen (was leider viel zu oft passiert). Ich finde die Frauen können in diesem Moment kaum klar denken und machen alles mit, was ihnen gesagt wird. Ihr habt i.d.R. Zeit.
  4. Setzt euch damit auseinander, trauert, lasst es zu. Findet ein für euch passendes Abschiedsritual. Das kann zum Bsp. ein Abschiedsbrief sein wie bei meiner Patientin.
  5. Ihr könnt schwanger werden, es hat geklappt, dann wird es auch wieder klappen! Gebt euch und eurem Körper Zeit.
  6. Gebt euch und eurem Körper soviel Zeit wie er braucht um zu verarbeiten, gleich ob Operation oder abwartendes Verhalten. Zumindest theoretisch könntet ihr schon nach der nächsten Menstruationsblutung mit der nächsten Schwangerschaft beginnen. Entscheidet selbst wann ihr wieder dafür bereit seit.

Links:

https://www.caritas-leipzig.de/hilfeundberatung/kinderjugendlicheundfamilien/schwangerschaft/schmetterlingskinder

http://www.schmetterlingskinder-leipzig.de/

http://www.initiative-regenbogen.de/

https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/frauenklinik/Sonstige_Dateien/frueher_Schwangerschaftsverlust.pdf


Bild: Pexels, Klaus Nielsen

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